Ingrid Bodsch
Ihr Nachruhm als
Muse Wagners und Idealisierung in „
Tristan und Isolde“ beschert ihr heute noch eine Aufmerksamkeit, den die reiche Industriellengattin an der Seite des Wagner-Förderers und Kunstsammlers
Otto Wesendonck mit ihren
eigenen Dichtungen nicht erlangt hätte. Das alles passierte freilich in
Zürich, und die weiteren Lebensstationen waren, von längeren Reisen und dem späteren Sommersitz am
Traunsee in Oberösterreich abgesehen,
Dresden und
Berlin.
Das etwas provokante Fragezeichen im Titel der Ausstellung gilt also der Frage: Was hatten und haben die Wesendoncks mit Bonn zu tun?
Beziehungen zu
Bonn ergeben sich aus Studienaufenthalten von Familienangehörigen der Wesendoncks an der
Universität Bonn, die sich als einzige preußische Universität im Rheinland für Studienanfänger aus rheinischer Familie geradezu anbot. Schon Otto Wesendoncks Bruder
Hugo, der spätere Paulskirchenabgeordnete, der 1849 als Emigrant in die USA ging und dort wie schon sein Bruder vor ihm unternehmerisch in großem Stil reüssierte – die Elberfelder Wesendoncks waren wie die Elberfelder Luckemeyers, denen Mathilde entstammte, offenbar mit unternehmerischen Talenten in der Familie gesegnet – studierte vom Wintersemester 1834 bis zum Sommersemester 1836 in Bonn Jura und war Mitglied des 1832 gegründeten Studenten-Corps Saxonia Bonn. Otto Wesendonck hatte in Amerika schon als sehr junger Mann sein Glück gemacht und sein Vermögen im
Seidenhandel vermehrt. Nach der Rückkehr aus Amerika heiratete er nach kurzer Verlobungszeit am 15.10.1844 in Frankfurt Julie Johanna
Mathilde Eckhard (* 10. Dezember 1819), Tochter des Frankfurter Bürgers und Unternehmers Johann Conrad Eckhard (1766–1833) und der Sophie Luise Friederike Eckhard, geb. Wolf (1786–1866), die schon am 08.12.1844 auf der Hochzeitsreise in Florenz an Typhus gestorben ist. Am 19.05.1848 vermählte sich Otto Wesendonck in
Düsseldorf in 2. Ehe mit
Agnes Luckemeyer, die bei der
Hochzeit auf seine Bitte den Namen Mathilde annahm – den Namen seiner ersten Frau und den seiner früh verstorbenen
Schwester. Düsseldorf wird auch der erste gemeinsame Wohnort des Paares, wo am 27.11.1849 auch das erste Kind,
Paul, zur Welt kommt, das allerdings wenige Monate nach seiner Geburt am 21.3.1850 gestorben ist. Ein anschließend für länger geplanter Amerikaaufenthalt wurde auf Wunsch Mathildes, die wieder nach Europa zurück wollte, verkürzt, wobei das Ehepaar nicht nach Düsseldorf zurück ging, da Otto als Bruder des emigrierten linken Abgeordneten Hugo Wesendonck politische Auseinandersetzungen mit seinem
Schwiegervater, der als Konservativer Vizebürgermeister von Düsseldorf geworden war, vermeiden wollte. Zürich, wo Otto und Mathilde Wesendonck sich im Herbst 1852 für fas 20 Jahre niederließen, schien mit der dort aufstrebenden Seidenindustrie die ideale Adresse. Alle weiteren Kinder der Wesendoncks sind gebürtige Züricher, das zweite nach
Myrrha in Zürich zur Welt gekommene Kind, der kleine
Guido, starb 1858 im Alter von drei Jahren und wurde auf dem 1848 eröffneten privaten Friedhof Hohe Promenade beigesetzt, von wo sein vom Zuger Bildhauer
Ludwig Keiser geschaffenes Grabdenkmal 1970 in den heutigen Rieterpark versetzt wurde. Von Zürich aus ist kein Besuch der Wesendoncks in Bonn nachweisbar. Die Vermutungen, dass Otto oder gar Mathilde einen alten Geschäftsfreund aus New York, den aus Thüringen gebürtigen Tuchfabrikanten
Wilhelm Loeschigk (1808 – 1887), der 1860 mit seiner Familie aus Amerika zurück nach Deutschland kam und in Bonn eine halbfertige Villa (heute Palais Schaumburg) erwarb und als seinen Wohnsitz ausbauen ließ, besucht haben könnten, entbehren leider jedes Nachweises. Den einzigen Beleg eines Aufenthalts von Mathilde Wesendonck in Bonn verdanken wir einer eigenhändigen Notiz von ihr, die im Wesendonck-Nachlass im Stadtarchiv Zürich aufbewahrt wird. Dort hat sie auf dem ersten Blatt ihrer unveröffentlicht gebliebenen „
Neuen Lieder“ vermerkt: „Auf dem Wege mit
Karl zur Universität Bonn 1876“. Die Anreise erfolgte von Dresden, wo die Wesendoncks seit 1872 lebten, Besitzer einer prächtigen Villa waren und wie in Zürich zum Mittelpunkt der Gesellschaft zählten. Karl Wesendonck hat sich am 29.4.1876 für Physik immatrikuliert. Während der drei von ihm in Bonn verbrachten Semester wohnte er im Haus Poppelsdorfer Allee 98. Ob Mathilde Wesendonck einige Jahre später auch ihren jüngsten Sohn nach Bonn begleitete, der sich hier zum Wintersemester 1881 für das Fach Jura einschreiben ließ, ist nicht bekannt. Sie hätte damit einen Besuch bei ihrer Tochter Myrrha und deren 1872 in Dresden angetrauten Ehemann, dem
Freiherrn Moritz von Bissing, verbinden können, der just zur gleichen Zeit für ein Jahr in Bonn als Rittmeister die den Bonner Königshusaren stationiert war.
Der frühe und völlig überraschende Tod des 19 Jahre alten
Hans Wesendonck – er starb am 28.2.1882 an einer Lungenentzündung – knüpfte ein festes Band der Familie zu Bonn. Zum Zeitpunkt seines Todes, der ihn in seiner Wohnung am Kaiserplatz ereilte, waren Eltern und Schwester auf einer mehrmonatigen Reise in Oberägypten. Um die Beschaffung eines Grabes und das Begräbnis am 3.3.1882 auf dem
Alten Friedhof kümmerte sich sein Schwager Moritz von Bissing, der ebenso eine Todesanzeige in der Bonner Zeitung aufgab wie das Corps Borussia, dem Hans Wesendonck als Fuchs angehörte. 1883 gaben die Eltern nicht nur ein Grabdenkmal beim bekannten Dresdner Bildhauer
Gustav Kiez in Auftrag, sondern bestimmten das Bonner Grab auch zur
Familiengruft. Die Erschütterung über den Tod ihres Sohnes bewog die Eltern noch im gleichen Jahr zum Umzug von Dresden nach Berlin, da man nicht mehr in dem Haus leben wollte, dessen Sonnenschein Hans gewesen war. Nach Myrrha (gestorben 1888 in München) wurden auch die Eltern Otto (gestorben 1896) und Mathilde Wesendonck (gestorben 1902) in Bonn an der Seite von Hans beerdigt. Keiner von den dreien starb in Bonn, alle wurden überführt: Myrrha aus München, Otto aus Berlin, wo die Wesendoncks ihre letzten Lebensjahre in einem
prachtvollen Palais mit eigener
Bildergalerie verbrachten, und Mathilde aus Traunstein bei Gmunden, ihrem Sommersitz. Noch zu Lebzeiten seiner Großeltern studierte auch
Friedrich Wilhelm von Bissing, das einzige Kind Myrrhas, in Bonn. Er wohnte während seines Geschichtsstudiums vom Sommersemester 1892 bis zum Ende des Wintersemesters 1894/95 im Haus Belderberg 6. Ein weiterer Enkel von Mathilde und Otto Wesendonck, der älteste Sohn ihres einzigen sie überlebenden Sohnes Karl, schrieb sich ein Jahr nach dem Tod seiner Großmutter an der Universität Bonn im Fach Jura ein:
Otto Günter von Wesendonk – sein mit
Eveline Gräfin von Hessenstein verheirateter Vater und Privatdozent für Physik war in der Zwischenzeit in den Freiherrenstand erhoben worden – verbrachte drei Semester in Bonn (vom WS 1903 bis zum SS 1904) und wohnte zuerst in der Friedrichstraße 10, später Belderberg 14. Wie sein jung verstorbener Onkel Hans trat auch Otto Günther von Wesendonk in das Corps Borussia ein und war dort von 1903 bis 1905 aktives Mitglied. Hinsichtlich familiärer Begleitung bei den Beerdigungen von Myrrha von Bissing, Otto und Mathilde Wesendonck ist nur bei Otto Wesendoncks belegt, dass an seinem Grabe sein Sohn Karl und sein Schwiegersohn Moritz von Bissing standen.
Als die unmittelbaren Erben von Otto Wesendonck, sein Sohn Karl von Wesendonk – mit der Nobilitierung verschwand auch das c aus dem Namen – und sein Enkel Friedrich Wilhelm von Bissing als Sohn der verstorbenen Tochter Myrrha nach dem Tod von Mathilde Wesendonck in den Besitz des riesigen Gesamtvermögens eintraten bzw. die Leitung der von Otto Wesendonck gerade im Hinblick auf seine Gemäldesammlung minutiös geregelten Familienstiftung übernahmen, suchten sie wegen der Absicht, das Berliner Palais ihrer Eltern zu vermieten, eine neue Heimat für die vor allem aus alten Niederländern und Italienern bestehende Gemäldesammlung von Otto Wesendonck und wandten sich, da die Berliner Museen nur einige ausgesuchte Stücke übernehmen wollten, 1905 schließlich an die Stadt Bonn, der sie nach 1910 auch die Sammlung der
Familien- und Freundesbildnisse übergaben. Während für die eigentliche Gemäldesammlung ein eigener Anbau am damaligen
Provinzialmuseum errichtet und 1909 eröffnet wurde, wofür die Stadt als eigentliche Leihnehmerin Miete zahlen musste, bevor der Leihvertrag 1925 in einen Ratenkaufvertrag umgewandelt wurde, an dem sich Stadt und Provinzialverband beteiligten, blieb die Sammlung der Familien- und Freundesbilder geschlossen bei der Stadt Bonn und befindet sich heute im Bestand des
StadtMuseum Bonn. Obwohl von den ehemals über 200 Gemälden heute aus verschiedenen Gründen nur noch etwa 60 Bilder im Bestand des heutigen Rheinischen Landesmuseums sind, so war die Übernahme der Sammlung doch entscheidend für die damalige Ausrichtung auch als Museum für Bildende Kunst. Die Verankerung der Wesendonckschen Sammlungen in Bonn wie auch das Familiengrab auf dem Alten Friedhof erlauben uns, das Fragezeichen in ein Ausrufezeichen umzuwandeln – ja, es gibt Wesendoncks in Bonn!
StadtMuseum Bonn, 2013.
Die Ausstellung präsentiert alle im Besitz des StadtMuseum Bonn befindlichen Familien- und Freundesbildnisse aus der Sammlung Wesendonck und einige aus Otto Wesendoncks Gemäldegalerie als freundliche Leihgabe aus dem LVR-LandesMuseum Bonn. Über die wichtigsten Lebensstationen des aus dem rheinischen
Elberfeld stammenden Ehepaares Otto und Mathilde Wesendonck, geb. Agnes Luckemeyer – Düsseldorf, Zürich, Dresden und Berlin – spürt die Ausstellung natürlich auch der Züricher Musenrolle von Mathilde Wesendonck nach, dem Wesendonckschen Freundeskreis dort sowie in Dresden und Berlin, um danach den Blick auf die Bezüge der Wesendoncks zu Bonn zu lenken.
Die Ausstellung:
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