Warum ist Mathilde Wesendonck wichtig?
Mathilde Wesendonck: Wichtig?
Muss man Mathilde Wesendonck kennen? Nein, mit Sicherheit nicht. Aber sie kennen zu dürfen – das bereichert.
Mathilde Wesendonck ist welt-musikgeschichtlich bedeutsam, da Richard Wagner sie auf den Thron der Vergötterung erhob – durch diverse Opern, allen voran durch die Oper „Tristan und Isolde“, die auch locker „Richard und Mathilde“ heißen dürfte.
Verewigt ist sie bereits in den ersten Sekunden, im Tristan-Akkords:
So, wie Picasso und Kandinsky erstmals das Tor zur abstrakten Malerei aufstießen, öffnet 1865 der Tristan-Akkord das Tor zur modernen Musik - als Ausdruck einer nicht erfüllten, einer nicht befriedigten Harmonik, sprich unglücklichen Liebe.
Der Tristan-Akkord steht bis heute für das Leid der schon verheirateten Mathilde und Richard, die eben nicht zusammenkommen konnten. Erst nach 4,5 Stunden erstmals gehörter, revolutionärer Dissonanzen der Oper „Tristan und Isolde“ findet sich die klangliche Erlösung: im gemeinsamen „Liebestod“.
Mathilde Wesendonck war also die Inspirationsquelle moderner Musik. Ohne Mathilde Wesendonck wäre unsere Musik heute eine ganz andere. Ohne Mathilde Wesendonck hätten fast alle nach Wagner kommende Komponisten anders komponiert. Ohne Mathilde würde heute jedes Autoradio andere Musik spielen.
Jetzt kann man kritisch einwenden: An all diesem war Mathilde Wesendonck nur passiv beteiligt? Mathilde wurde durch Wagner nur „abgebildet“? Nicht ganz!
Zunächst: Ja: Mathilde war keine Widerstandskämpferin, hat keine weltbewegenden Dramen geschrieben. Und ganz ehrlich: Ohne Wagner würden wir sie nicht kennen!
Trotzdem interessiert die Frage, wer sie war!
„Mathilde Wesendonck zu kennen, ist wichtig, weil …“?
Da sind zunächst die fünf Wesendonck-Lieder, die zwar von Wagner vertont wurden, die aber auf ihren Texten fußen! Es sind Mathildes Texte.
Und gerade bei den Melodien zu den Texten „Im Treibhaus“ und „Träume“ gingen die beiden, ging Wagner erstmals durch jene Tür völlig neuer Dimensionen der Musik: Innere Konflikte in Noten zu fassen.
Mathilde ist damit schon etwas mehr als nur passive Projektionsfläche.
Sie war gut situiert, hochgebildet, sprach mehrere Sprachen, hatte in Frankreich, der Schweiz gelebt und kannte die Vereinigten Staaten.
Sie war Mutter von fünf Kindern (von denen vier Kinder vor ihr starben), und schrieb eigene, heute wenig bekannte Dramen und Kinderbücher.
Sie war in Zürich, Dresden, Berlin bekannte Salonniere und stand mit vielen Komponisten in Kontakt, wie z.B. mit Brahms.
Letztlich aber bot sie mit ihrem Mann auch jemandem Haus, Asyl und enorme finanzielle Unterstützung, der als Demokrat und Revolutionär in Deutschland als Krimineller steckbrieflich gesucht wurde: dem Komponisten Wagner.
Ganz besonders jedoch sticht sie bei einem Wert hervor, der heute immer noch geschätzt wird: Treue.
An ihrer Treue hielt sie als Verheiratete auch fest, als Wagner sich ihretwegen das Leben nehmen wollte – wie Briefe und die Oper „Tristan und Isolde“ zeigen.
Unverbrüchliche Treue hatte sie auch schon Jahre zuvor bewiesen:
Als sie, aus Liebe zu ihrem Mann, den Namen von dessen erster, verstorbenen Ehefrau annahm. Aus der jungen Frau Luckemeyer wurde eben nicht nur Frau Wesendonck, sondern sie änderte auch ihren Vornamen: Aus Agnes wurde Mathilde.
Ist eine solche Treue ein „gutes“ Vorbild? Genau darüber kann man nachdenken!
Klar ist aber auch: Solche Treue steht auch für Friedfertigkeit. Und Friedfertigkeit kommt auch in dem Musikstück zum Ausdruck, das wie nichts Anderes für Mathilde Wesendonck steht: Der „Liebestod“, dem letzten Teil der Oper „Tristan und Isolde“:
Wenn Konflikte oder unerfüllte Liebe sich auflösen, ihre Gegensätzlichkeit verlieren, miteinander, ineinander verschmelzen, eins werden, Nichts sind, wie im Nirvana - dann ist das ein zutiefst friedliebender, buddhistischer Ansatz.
Über dieses Fühlen, diesen Buddhismus haben die beiden sich ausgetauscht.
Damit: Wagner wird weltweit ob seiner musikalischen Genialität verehrt.
Doch es war diese Frau, die mit ihrem Mann diesen Wagner nicht nur finanziell, sondern auch seelisch mit dem ausstatteten, was ihn zu dem machte, was er wurde.
Dabei geriet sie selbst in gefährliche Fahrwasser – blieb ihrem Mann jedoch treu.
Sie nahm Wagners Hand, ließ ihn ihre „verheiratete Zuneigung“ spüren, und lenkte ihn auf einen neuen Weg: Gemeinsame, innere Schmerzen, innere Konflikte durch das auszudrücken, was der leidende Komponist am besten beherrschte: Musik.
Der Name dieser Frau: Mathilde Wesendonck.
Gerade deshalb müsste der revolutionäre, sehnsuchtsvolle Tristan-Akkord, der unsere Musik für immer veränderte, anders heißen:
Mathilde-Akkord.
Links und Downloads: